Elena in New York – Teil 3

Unsere Programmleiterin Elena Rittinghausen verbrachte die lezten Monate in New York. Auf unserem Blog berichtet sie von ihren Erfahrungen in den USA.

In New York gibt es unendlich viel zu tun und zu entdecken. Aber ich war auch sehr gespannt darauf, eine andere Stadt in den USA kennenzulernen. Am Osterwochenende hatte ich Gelegenheit dazu. Ich bin nach Washington DC gefahren, um Rashin Kheiriyeh zu treffen.

Rashin hat für uns schon mehrere Bilderbücher illustriert. Gerade ist Nicht so fies, kleiner Tiger! erschienen, mit einem Text von Carol Roth. Im Herbst folgt ein Sachbilderbuch über den persischen Dichter Rumi. Weiter unten könnt ihr einen Blick auf Rashins fantastische Originale erhaschen.

Am Ostersonntag nahm ich den Zug von Penn Station. Der Bahnhof gehört zu den größten der Welt und ist für sich schon ein Erlebnis. Den ganzen Nachmittag schlenderte ich bei schönstem Wetter mit Rashin durchs Regierungsviertel von DC. Im Frühling zieht die berühmte Kirschblüte besonders viele Menschen an. Die blühenden Bäume erinnern an rosa Zuckerwatte und sind ein beliebtes Fotomotiv.

Es war ein spezielles Gefühl, die vielen ikonischen Bauten der US-Hauptstadt mit eigenen Augen zu sehen. Auf einer kleinen Fläche drängen sich das Lincoln Memorial, das Weiße Haus, das Washington Monument, das Kapitol, der Surpreme Court und die Library of Congress, in der auch einige NorthSouth-Titel zu finden sind.

Am Ostermontag fand die historische Easter Egg Roll am Weißen Haus statt. Zu diesem Anlass wird der Rasen des Weißen Hauses für die Öffentlichkeit geöffnet. Kinder schieben bunte Eier mit Holzlöffeln vor sich her. Die Tradition reicht knapp 150 Jahre zurück.

Rashin und ich ließen uns dieses Spektakel bewusst entgehen und besuchten stattdessen Busboys & Poets. Dieser Ort ist zugleich Buchladen, Restaurant und Community Space. Anschließend durfte ich Rashin in ihrem Studio in Washington Heights besuchen und ihr auch einige Fragen stellen.

Rashin, wie hast du zur Illustration gefunden? 

Ich habe mich schon immer für Illustration interessiert, aber eigentlich wollte ich Malerin werden. Zuerst habe ich Grafikdesign im Hauptfach studiert. Einen richtigen Studiengang für Illustration gab es an meiner Hochschule nicht. Es war übrigens die erste Kunsthochschule in Iran, an der Frauen zugelassen waren. Später hat ein Kurs zu Illustration mein Interesse an visuellem Erzählen geweckt. Das fiel mir leicht und Mitstudierende und Lehrkräfte haben mich angespornt. 

Wie sahen deine Anfänge aus?

Anfangs waren meine Illustrationen von Kindergedichten inspiriert. Ich brauchte ja ein Portfolio. Ich habe das dann an ein Kindermagazin in Teheran geschickt. Der Art Director war beeindruckt. Er hat mich beauftragt, eine Kurzgeschichte über eine Krähe zu illustrieren. Für das Magazin habe ich dann drei Jahre lang gearbeitet. 

Irgendwann habe ich meine Arbeiten beim Tehran Illustration Biannual eingereicht und den ersten Preis gewonnen. Später habe ich von einem der Jurymitglieder erfahren, dass meine Wahl kontrovers war. Manche fanden, ich sei zu jung. Aber ab dem Moment standen die Verlage Schlange (lacht).

Wie kam es, dass du jetzt in den USA lebst?

2007 war ich Teil einer Gruppe von iranischen Künstlerinnen und Künstlern, die vom State Department für eine Ausstellung nach Washington DC eingeladen wurden. Es war ein Austauschprogramm und wir haben verschiedene Hochschulen besucht, unter anderem die New York School of Visual Arts. Ein Lehrer hat mich einem Redakteur von der New York Times vorgestellt. Mein erster Beitrag war für die Meinungsseiten. 

2011 traf ich dann Herwig Bitsche, den Verleger von NordSüd. Er bot mir Verträge über gleich drei Bücher an. Dadurch konnte ich in den USA bleiben und hier arbeiten. Ich konnte an Veranstaltungen teilnehmen, Lesungen in Schulen machen und meine Bücher wurden in den Medien besprochen. Das hat mir viele Türen geöffnet. 

Wie fühlt es sich an, als Stimme der Proteste im Iran wahrgenommen zu werden?

Meine Gedanken sind ständig bei Iran. Wenn ich selbst Geschichten schreibe, nehme ich all meine Inspiration von dort. Ich könnte auch nicht ohne iranische Musik und iranisches Essen leben. Ich habe meine Verbindungen dorthin nie gekappt. Die Nachrichten verfolge ich sehr genau. Was momentan passiert, macht mir große Sorgen. Einerseits freue ich mich unglaublich darüber, dass die Menschen in Iran aufwachen. Gleichzeitig haben sie den Autoritäten wenig entgegenzusetzen. 

Meine Eltern leben nach wie vor in Iran. Deshalb denke ich bei allem, was ich tue, auch an ihre Sicherheit. Auch ich werde erst wieder nach Iran reisen, wenn die Lage sich verbessert hat. Immerhin konnte ich Banner für die Kampagne einer Organisation gestalten, die sich für Frauenrechte im Iran einsetzt. Ich wünsche mir, dass in Iran Demokratie und Freiheit einkehren. Die Hardliner werden den Druck nicht ewig aufrecht erhalten können. 

Wie war die Arbeit an Rumi — Dichter der Liebe für dich?

Rumi und seine Texte sind mir sehr vertraut. Sie sind in vielen Hinsichten sehr zeitgemäß. Rumi war ein islamischer Gelehrter, der nach dem Zusammentreffen mit Shams und dem Sufismus alle Gewissheiten über Bord geworfen hat. Er hat seine Augen geöffnet und entdeckt, dass wir Gott auf unendlich viele Arten nah sein können — durch Tanz, die Natur oder Freundschaften. Rumi hat erkannt, dass Stärke durch Einheit entsteht und nicht durch Aufspaltung. Das lässt sich so leicht auf den heutigen Iran beziehen: Wir brauchen dort Toleranz und Respekt für die Entscheidungen einzelner. Die Erinnerung an einen liberalen Iran ist zum Glück noch sehr lebendig in den Köpfen der Menschen. 

Welche Art von Geschichten möchtest du in Zukunft erzählen? 

Ich möchte von Iran erzählen und persische Geschichten mit Kindern auf der ganzen Welt teilen. Auch Kinder mit iranischen Wurzeln sollen sich in meinen Büchern wiederfinden und zum Beispiel in der Schule von ihrem kulturellen Erbe erzählen können. Das liebe ich am Bilderbuch: Egal woher du kommst und welche Sprache du sprichst, du kannst dich mit allen in dieser globalen Community verständigen. Bilder reisen so gut. Es gibt kaum einen Unterschied zwischen Ländern im Zentrum und solchen am Rand. 

Wie läuft dein Arbeitsprozess ab?

Ich beginne mit Bleistift-Zeichnungen. Die übertrage ich auf Papier im richtigen Format. Und dann fange ich einfach an — wenn mir das fertige Bild nicht gefällt, fange ich neu an. Am liebsten Arbeite ich mit dem Pinsel und trage eine Farbe nach der anderen auf. Das ist fast wie Meditieren. Aber ich probiere gern neue Techniken aus, wie Linoleum-Druck oder Sprühfarbe. Ich arbeite immer an verschiedenen Büchern gleichzeitig, es wird also nie langweilig. 

Mit Rashin in der National Gallery of Art

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