Elena in New York – Teil 2
Unsere Programmleiterin Elena Rittinghausen verbringt die nächsten Monate in New York. Auf unserem Blog berichtet sie von ihren Erfahrungen in den USA.
In New York leben Menschen aus aller Welt. Das ist für mich eine der schönsten Seiten der Stadt. Seit fünf Jahren ist New York auch die Heimat von Ishita Jain, geboren und aufgewachsen in Neu-Delhi.
Bereits letzten Herbst erschien bei NordSüd ihr erstes Bilderbuch (Es werde Wald!), das ich als Lektorin betreuen durfte. Ich habe selbst ein Jahr im südindischen Chennai verbracht und das Projekt war für mich Herzenssache. Deshalb hat es mich besonders gefreut, Ishita endlich persönlich zu treffen.
Zuerst zeigte mir Ishita ihr Studio, das sich in ihrer Wohnung befindet. Hier finden sich lauter interessante Objekte, die teilweise an Indien erinnern. Andere hat Ishita auf Reisen aufgelesen, wie zum Beispiel die leuchtend-bunte Kreatur aus Mexiko.
Seit dem vergangenen Jahr unterrichtet Ishita Illustration an der renommierten New York School of Visual Art. Auf Post-its sammelt sie Ideen für ihren Kurs. Manche ihrer Methoden sind unkonventionell, zum Beispiel lässt sie zu Beginn einer Stunde die Studierenden gern zeichnen, ohne hinzusehen und ohne den Stift abzusetzen. Diese Aufwärmübung soll den Kopf frei machen und Hemmungen überwinden. Sie lädt ihre Klasse auch dazu ein, eigene Pinsel aus Pflanzenteilen herzustellen. Das ergibt interessante Strukturen auf dem Papier. Natürlich will ich die Gelegenheit auch nutzen, um Ishita einige Fragen zu stellen.
Welche Rolle spielt die Natur in deinem Leben?
Ich betrachte mich als Teil der Natur. Das gilt für uns alle, auch wenn wir es im hektischen Alltag leicht vergessen. Ich bin in Neu-Delhi aufgewachsen und lebe jetzt in New York, beides große, moderne Städte. Aber ich hatte Glück und habe trotzdem einen großen Teil meiner Kindheit im Grünen verbracht. Das tue ich auch jetzt noch.
Also hast du eine sehr innige Beziehung zur Natur?
Ja. Als ich nach New York gezogen bin, hatte ich oft Heimweh. Die Parks und Bäume haben mir Trost gespendet. Ich mache gern lange Spaziergänge und beobachte, wie die Jahreszeiten sich ändern. Ein saftig-grüner Baum wird erst feuerrot und ist dann im Winter kaum wiederzuerkennen. Ich zeichne auch gern draußen.
Du lebst seit einigen Jahren in den USA. War es etwas Besonderes, eine in Indien spielende Geschichte zu illustrieren?
Es ist interessant. Je länger ich hier lebe, desto stärker wird meine indische Identität. Indien fühlt sich mehr als früher nach Heimat an. Insofern hat es kaum eine Rolle gespielt, wo ich war, als ich die Bilder malte. Die Bilder für Es werde Wald! sind nur zu einem kleinen Teil in Indien entstanden. Es ist aber schon toll, einen Neem-Baum zu zeichnen, wenn direkt vor dem Fenster einer steht.
Wie bist du die Illustrationen angegangen? Welche Technik hast du verwendet?
Indien ist ein riesiges Land. Die Menschen, die Kultur und geografischen Gegebenheiten unterscheiden sich stark. Neu-Delhi ist weit von Majuli entfernt, deshalb habe ich intensiv recherchiert und mir Bilder und Filme als Referenzen gesucht. Ich wollte die Flora und Fauna von Assam unbedingt richtig verstehen und darstellen.
Ich arbeite gern analog. Alle Bilder sind mit Tinte und Wasserfarben gemalt. Für dieses Buch habe ich auch die kleinformatigen Skizzen als lockere, farbige Bilder gemacht. Es war mir wichtig, in der Skizzenphase ein Gefühl für die Farben, Texturen und Stimmungen zu bekommen, bevor ich mich an die finale Ausarbeitung machte. Ich habe auch einen kleinen Dummy hergestellt, um zu testen, ob die visuelle Abfolge der Seiten funktioniert.
Hat die Geschichte von Jadav Payeng dich auch emotional berührt?
Mir wird oft gesagt, die Handlungen von Einzelnen hätten kaum Bedeutung wenn es darum geht, die Welt zu verändern. Dass eigentlich nur große Firmen und die Politik wirklich Einfluss haben. Für mich stimmt das nur zum Teil. Die Geschichte von Jadav Payeng erinnert uns daran, dass jede und jeder von uns einen Unterschied machen kann. Wir können vielleicht nicht die ganze Welt verändern, aber unsere nähere Umgebung.
Was ist dir durch den Kopf geschossen, als dich aus heiterem Himmel ein Schweizer Verlag kontaktierte und dir anbot, ein Bilderbuch zu illustrieren?
Ich fand das ziemlich irre! Ich hatte vorher noch kein Bilderbuch für Kinder illustriert und in meinem Portfolio gibt es wenig Kinder oder auch nur Menschen. Ich bin sehr dankbar, dass NordSüd mir diese Chance gegeben hat. Der Prozess hat Spaß gemacht und ich habe viel dabei gelernt.
Und dann hast du ja auch eine ganz persönliche Verbindung zur Schweiz.
Ja, das ist eine lustige Geschichte. Meine erste Reise außerhalb von Indien ging in die Schweiz. Ich war 10 oder 11 Jahre alt und meine Großeltern nahmen mich mit nach Luzern. Ich habe lebhafte Erinnerungen an diese Reise. Mein ganzes Kleingeld habe ich für Eis ausgegeben. Danach habe ich alle, die in die Schweiz gingen, gebeten, mir Eiscreme mitzubringen. Ich hatte eine sehr enge Beziehung zu meinem Großvater und glaube, er hätte sich gefreut zu hören, dass ich ein Buch mit einem Schweizer Verlag mache!
Möchtest du in der Zukunft weitere Bilderbücher illustrieren?
Ja, absolut!