»Gärten sind kleine Wunder«
In »Ein Garten für uns« verbindet die Autorin Zoë Tucker ihre Liebe zur Natur mit feinfühligen Betrachtungen zum Kreislauf des Lebens. Ganz sanft wird dabei auch das Thema des Verlusts in den Rhythmus der Jahreszeiten verwoben. Illustratorin Julianna Swaney schuf dazu coole Grannies, die mit der Protagonistin einen Stadtgarten unterhalten. Julia Ann Stüssi hat mit Autorin Zoë Tucker über ihre neu entdeckte Freude am Gärtnern und die Entstehung der Geschichte gesprochen.
Was hat dich dazu inspiriert, diese Geschichte zu schreiben?
Die Geschichte entstand aus einer Kombination von verschiedenen Dingen. Meine Freundin Marie lud mich im Frühjahr zu einem »Seed Swap«, einem Saatgut-Tausch ein. Ich habe selbst zwar keinen Garten, aber ich hatte Lust auf einen Ausflug und ging aus Spaß mit. Der »Seed Swap« findet jedes Jahr statt, dabei treffen sich Gärtner aus der ganzen Gegend, um Saatgut und Ideen auszutauschen. Alle Sorten gedeihen gut im lokalen Boden und es ist eine Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. Ich kam mit einer Handvoll kleinen, braunen Umschlägen nach Hause, jeder enthielt verschiedene Samen, zum Beispiel Tomaten, Salate, Zucchini und gemischte Blumen. Ich pflanzte sie in kleine Töpfe auf der Treppe beim Hauseingang und wartete…
Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob überhaupt etwas wachsen würde. Aber einige Wochen später tauchten kleine Sprösslinge auf und unser Treppengarten begann. Zur selben Zeit, im Frühling und Sommer jenes Jahres, litt ein Familienmitglied an einer Krankheit. Ich weiß noch, wie ich mit meinem Mann in der Spätnachmittagssonne auf der Treppe saß und mit ihm über den geliebten Menschen sprach, und dabei unseren Garten wachsen sah. Die zwei Erzählstränge kamen in meinem Kopf zusammen, und »Ein Garten für uns« nahm Gestalt an.
Erzähl mir, was dir Gärten bedeuten.
Gärten sind kleine Wunder, nicht wahr? Ich habe gemerkt, dass man sogar in den kleinsten Räumen eine Topfpflanze haben kann, und wie gut es für die Seele ist, die Natur wachsen zu sehen. Ich schöpfe großen Trost aus der Natur. Sogar in schwierigen, belastenden Zeiten hat die Natur die Oberhand. Die letzten Jahre haben uns das gezeigt. Während des Lockdowns haben mein Mann und ich Spaziergänge im Park und am Meer in unserer Nähe genossen. Es ist niemals langweilig, denn die Umgebung verändert sich ständig mit dem Wechsel der Jahreszeiten. Manchmal nehme ich ein Skizzenbuch hervor und zeichne, was ich sehe, um es festzuhalten.
Wer sind für dich die älteren Damen, die Julianna Swaney ins Buch gebracht hat? Was für eine Beziehung hast du zu älteren Generationen?
Ah die »lovely ladies«! Ich liebe es, wie Julianna Swaney die älteren Generationen in ihren Bildern festgehalten hat, ich möchte diese Frauen sein! Die älteren Damen sind eine Metapher für Familie und Freunde. Sie stehen für unsere Eltern, und unsere Liebsten. Ich habe eine wundervolle Schwiegermutter, die in diesen letzten Jahren eine stetige Inspiration für mich war. Sie hört nie auf zu lernen, und interessiert sich aufrichtig für alles, was wir tun, und was unsere Tochter tut. Ich liebe es, mit ihr Zeit zu verbringen. Sie teilt ihr Wissen und ihre Erfahrung großzügig.
Dein neues Buch spricht auf sensible und liebevolle Weise über verschiedene Dinge. Darunter ist auch ein komplexes Thema, der Tod. Wie hast du die richtige Geschichte und den richtigen Ton für dieses Thema gefunden? Was waren Herausforderungen während des Prozesses?
Die Geschichte entstand aus meiner persönlichen Erfahrung und meiner eigenen Trauer, und als solche ist sie sehr nah an meinem Herzen. Ich hoffe, ich habe den richtigen Ton gefunden, wie du sagst, es ist heikel. Der Tod ist etwas, das wir alle irgendwann erfahren werden. Vielleicht ist es der Tod eines Tieres, der Großeltern, manchmal sogar der Tod eines Freundes. Die Herausforderung ist es, aus der Hoffnung und der Positivität zu schreiben, besonders wenn die Geschichte für kleine Kinder ist. Ich hoffe, in diesem Buch gibt es etwas, was diese heiklen Gespräche zwischen Eltern und Kind anstößt, und das Ideen gibt, wie man die Erinnerung an einen liebsten Menschen lebendig halten kann. Ich hoffe auch, dass es uns daran erinnert, wie wir voneinander lernen können, und wie wichtig unsere Gemeinschaft für die Gesellschaft ist.
Ich möchte Kinderbücher schreiben, die ermutigen und inspirieren.
Zoë Tucker
Wie sah die Zusammenarbeit mit Julianna Swaney aus? Wann hast du zum ersten Mal ihre Illustrationen gesehen und wie war das für dich?
Julianna wurde von NordSüd ausgewählt und ich bin so dankbar für die Zusammenarbeit. Ich finde, ihre Bilder haben die perfekte Wärme und Zärtlichkeit, um das sensible Thema auszugleichen. Julianna und ich haben zwar nie miteinander gesprochen, aber uns per E-Mail ausgetauscht. Für den Autor besteht die Magie darin, Abstand vom eigenen Text zu nehmen und jemandem zu erlauben, deine Worte lebendig werden zu lassen. Es war ein Geschenk, der Entstehung des Buches zuzusehen, und ich bin aufrichtig dankbar für den Tiefblick und die Vision von Julianna, mit der sie die Geschichte zum Leben erweckt hat. Sie hat so viel Liebe und Licht beigetragen, ich kann mir das Buch gar nicht anders vorstellen, ich liebe ihre Arbeit!
Wann und wie hast du dich dazu entschieden, Kinderbücher zu machen? Was ist dein Antrieb dafür?
Ich habe über zwanzig Jahre lang als Grafikerin und Art Director in der Kinderbuchbranche gearbeitet und liebe es, mit Autor:innen und Illustrator:innen zu arbeiten, und ihnen zu helfen, ihre eigenen Geschichten zu schaffen. Bis vor fünf Jahren hatte ich gar nicht daran gedacht, das selbst auch zu tun; aber jetzt ist es so! Ich habe einer Arbeitskollegin und Freundin, Lilla Rogers, dafür zu danken. Sie hat mich dazu ermutigt, Bilderbuchgeschichten zu schreiben für den Illustratoren-Kurs, den wir gemeinsam unterrichten. Durch diese Erfahrung habe ich gemerkt, dass ich im Herzen eine Geschichtenerzählerin bin, und ich freue mich sehr über dieses neue Kapitel, in dem ich nun meine eigenen Bücher schreibe. Meine Motivation entspringt meinen Lebenserfahrungen und der Welt um mich herum. Ich lerne immer noch (und liebe es), und im Moment möchte ich Bücher schreiben, die ermutigen und inspirieren.
Was ist für dich das Besondere am Medium Kinderbuch?
Jedes Buch ist wieder anders, das macht es spannend. Ich liebe es auch, mit neuen Illustrator:innen zu arbeiten, und ihnen dabei zu helfen, ihr erstes Kinderbuch zu schaffen.
Gibt es Dinge, die immer ähnlich ablaufen, wenn du eine Geschichte für ein Kinderbuch schreibst?
Bis jetzt nicht, oder zumindest habe ich es nicht bemerkt! Es ist noch so neu für mich (zumindest fühlt es sich so an), dass ich noch keine Methode habe. Haben das andere? Falls ja, würde mich das sehr interessieren. Zurzeit trage ich ein Notizbuch mit mir herum und notiere Ideen, sobald sie zu mir kommen, meist, wenn ich es am allerwenigsten erwarte. Meine Ideen kommen nie, wenn ich an meinem Tisch sitze und versuche zu schreiben. Ich muss mich ablenken, etwas anderes tun, und mein Hirn in eine Art nebligen verschwommenen Zustand bringen… dann beginnen die Ideen aufzutauchen. Ich mag es, an mehreren Ideen und Themen gleichzeitig zu arbeiten. Das kann etwas sein, was ich persönlich fühle, kombiniert mit etwas, was ich in meiner Umwelt sehe. Als ich »Ein Garten für uns« geschrieben habe, war es meine eigene Erfahrung von Trauer und Verlust, verbunden mit unserem kleinen wachsenden Garten und dem Wechsel der Jahreszeiten. Als ich »Greta und die Großen« schrieb, war das zu einer Zeit, in der es viele Proteste auf der Welt gab. Ich habe mich gefragt, wie sich das anfühlt, wenn man ein kleines Kind ist –furchteinflößend, aufregend, verwirrend? Dann dachte ich darüber nach, wer solche Proteste für Kinder zugänglich macht, und Greta kam mir als Erste in den Sinn. Dieser eine Augenblick der Tapferkeit hat eine ganze Generation dazu gebracht, aufzustehen und sich für den Klimaschutz einzusetzen. Nur ein Moment des Mutes. Wir können alle davon lernen.
Was brauchst du, um arbeiten zu können?
Ein Notizbuch, einen Stift und Zeit, um die Ideen köcheln zu lassen. Manchmal ist das einfacher gesagt als getan. Ich arbeite Vollzeit als Art Director und Grafikerin, und es kann schwierig sein, sich abzugrenzen und meinen eigenen Projekten Zeit zu geben. Dieses Jahr ist es meine Absicht, etwas mehr kreative Zeit zu schaffen, und meine Ideen zu nähren indem ich in die Natur gehe, Freunde treffe, und Neues erlebe.
Ich bin am glücklichsten,
wenn ich etwas erschaffe.
Zoë Tucker
Was inspiriert dich?
Oh so vieles! Ich bin ständig inspiriert von den Autor:innen und Illustrator:innen, mit denen ich arbeite, und von meinen Kolleg:innen in der Branche. Ich bin auch inspiriert von den Leser:innen meiner Bücher, besonders, zu sehen, wie sie reagieren und wie sie meine Geschichten interpretieren. In meiner Freizeit lese ich, nähe ich, male und spiele Musik. Ich bin am glücklichsten, wenn ich etwas erschaffe.
Was sind wichtige Themen für Kinderbücher heutzutage?
Die Umwelt natürlich, und in der heutigen Welt ein nachhaltiges Leben zu führen. Ich möchte hoffnungsvolle Bücher sehen, die uns Ideen für den Aufbau einer besseren Zukunft geben, mit Gleichberechtigung und Empathie. Sie müssen auch Spaß machen, und fröhlich und nicht zu schwer sein für diese kleinen Köpfe.
Was macht eine Geschichte großartig?
Eine packende Figur, mit der man mitfühlen kann. Du musst an die Figur glauben, und du willst, dass ihr Vorhaben gelingt. Ich mag auch die Geschichten, die lange bei dir bleiben, lange nachdem du das Buch beendet hast. Eine Geschichte, die dein Denken verändert, oder dich dazu bringt, die Welt aus einer anderen Perspektive anzusehen.
Und was macht ein Kinderbuch großartig?
Dieselben Dinge! Es ist besonders wichtig, dass das Kind sich auf die Figuren beziehen kann, dass es sich selbst darin sieht, und dass es die Emotionen der Geschichte nachempfinden kann. Ein gutes Kinderbuch kann den Geist des Kindes für neue Möglichkeiten und Abenteuer öffnen – es ist ein mächtiges Mittel!