Lektorin steckt Nase ins Künstler-Atelier

Atelierbesuche gehören zu den schönsten Ausflügen, erklärt unsere Lektorin Andrea Naasan. Hier berichtet sie über den Besuch bei Vitali Konstantinov, der an einem sommerlichen Tag 2022 stattgefunden hat. Vitali steckte in dieser Zeit mitten in der Illustrationsarbeit für Geniale Nasen. Für diese kuriose Tiersammlung hat Lena Anlauf die spannendsten Fakten und Erzählungen zusammengetragen.

Zunächst ist ein verwinkelter Aufstieg hoch zur Dachwohnung von Lena und Vitali zu bewältigen. Wir befinden uns in einem beeindruckenden historischen Haus, das in der Altstadt Marburgs steht. »Das ist hier das Mittelalter«, merkt Vitali nach dem Willkommensgruß verschmitzt an und meint damit diese besondere Wohnsituation in dem Gässchen mit Kopfsteinpflaster und das schmucke alte Häuschen. Zentraler könnte man nicht wohnen in der Universitätsstadt zwischen Schloss und Lahn.

Marburg feierte 2022 sein 800-jähriges Jubiläum. In diesem Zuge hat Vitali zwei Bücher zur Stadtgeschichte illustriert. Ich habe sie bereits in sämtlichen Läden der Stadt gesehen, bis ich bei ihm eintreffe.

Künstlerort

Ohne Umschweife führt mich Vitali direkt zu seinem Zeichentisch. Von hier aus hat er einen herrlichen Ausblick über das Lahntal. Vitali legt Wert auf die idealen Arbeitsbedingungen. Da stört zum Beispiel das ständige Klopfen eines Hornissen-Nests im Gebälk des Hauses.
Das Gespräch dreht sich auch intensiv um den idealen Hocker für die Arbeit am Zeichentisch. Wenn es zu heiss wird, schützt eine Art Alu-Vorhang vor der Sonne.

Vitali am Zeichentisch, links im Bild der Alu-Vorhang

Ich sehe das aufgespannte Zeichenpapier. Die Wahl des Zeichenpapiers gehört zu den elementaren Entscheidungen jedes Illustrators. Vitalis erste Papiere für dieses Buch waren ihm zu kühl in der Wirkung. Das nun verwendete hat einen angenehmen Creme-Ton und die ideale Beschaffenheit.

Schichtarbeit

Die Illustrationen entstehen in Schichten. Zunächst werden die Farben mit Tusche aufgetragen. Bei den späteren Schritten ist die Ausarbeitung mit Buntstiften dran. Vitali arbeitet komplett analog, was eine äußerst konzentrierte Arbeitsweise erfordert. Anders als bei der digitalen Arbeit, können hier Fehler im Bild später nur schwer korrigiert werden.

An der Wand hängt eine Seitenübersicht zum Buch. Jedes einzelne Kapitel und die dazugehörigen Illustrationen sind zu sehen. Die bereits fertigen Bilder sind fein säuberlich durchgestrichen von Vitali. Ich stelle mir vor, dass dies für ihn wichtig ist, um die viel beschworene Deadline, also den Abgabetermin für die Illustrationen, im Blick zu behalten.

Die erste Schicht beim Sternnasenmaulwurf
Die Seitenübersicht

Freiheit des Illustrators

Für die nächste Phase des Besuchs wechseln wir an den Tisch in die gemütliche Wohnküche. Ich möchte ein vermeintlich sensibles Thema ansprechen: Der Verlag hat Änderungswünsche bei der Cover-Illustration. Wir schweifen ab bei Vitalis Frage, wieviel Freiheit er bei der Illustration habe. Unsere Haltung beim NordSüd Verlag ist klar: Wir wollen zusammen das Beste aus einem Cover herausholen. Manchmal kann das bedeuten, dass man um das ideale Motiv ringen muss. Aber niemals würde der Verlag etwas durchsetzen, mit dem der Illustrator oder die Illustratorin nicht einverstanden ist.

Es gilt dabei viele Kriterien zu erfüllen. Das Covermotiv sollte ein Eyecatcher sein. Der Inhalt des Buches sollte auf den ersten Blick widerspiegelt werden. Das Motiv sollte ideal mit der Titelformulierung harmonieren. Das Cover sollte auch bei kleinen Katalog-Abbildungen wirken und so weiter.

Wir wollen zusammen das Beste aus einem Cover herausholen.

Andrea Naasan

Für die Genialen Nasen haben wir schon ein paar Coverskizzen besprochen. Aber noch sind nicht alle überzeugt davon, dass wir die beste Möglichkeit vor uns haben. Ich will Vitali vorsichtig darauf vorbereiten, dass er noch einmal einen Entwurf machen sollte. Aber er kommt mir zuvor. Er ist auch noch nicht zufrieden, hat viele Ideen und möchte einen neuen Ansatz verfolgen. Ich staune darüber, wie selbstkritisch und offen Vitali reagiert. Einmal wieder freue ich mich über diese besondere und wertschätzende Zusammenarbeit.

Wir sehen beide, wie wundervoll sich das Projekt entwickelt. Und es breitet sich jetzt schon die Vorfreude auf das fertige Buch aus. Wir wissen, das wird eine tolle Sache!

P.S.: Gewissermaßen auf dem Hinausweg zeigt mir Vitali noch eine Arbeit von einem US-Künstler, Mark Wagner, der Collagen aus 100-Dollar-Noten macht. Es ist eine ganz andere Kunstform, aber der grünliche Farbraum und die Kuriosität der Arbeit erinnern an die Genialen Nasen.

Vielen Dank für den schönen Besuch!

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