Wörter sind ein Schatz!

Sprache ist etwas Machtvolles, denn mit Wörtern können wir die Welt erblühen lassen. Das Autoren- und Illustratoren-Duo Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger erzählen in ihrem neuen Buch »Der Wortschatz« vom spielerischen Umgang mit der Sprache. Im Interview verraten sie uns das eine oder andere Detail zum Entstehungsprozess.

Wie kam die Idee für das Buch zustande?

Rebecca & Simon: Die Idee zu unserem Buch »Der Wortschatz« kam von einer befreundeten Primarlehrerin. Sie unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und begegnet immer wieder Kindern, die für alltägliche Dinge gar keine Worte haben. Oft sei ihnen gar nicht bewusst, wie »reich« sie wären, wenn sie einen grösseren Wortschatz hätten. Wir fanden diese Idee vom »Wortschatz« ganz wunderbar. Sprache ist ein so grundlegendes Thema im alltäglichen Leben. Sprache ist sich ausdrücken, sich begegnen, ist die Verständigung zwischen dir und mir – ist Leben teilen. 

Die Idee vom »Wortschatz« hat uns inspiriert, eine Geschichte zu entwickeln, bei der das Bild zu Wort kommt und das Wort zum Bild wird. Dies auf eine humorvolle, federleichte und spielerische Art. Nicht belehrend. Nicht staubtrocken. Die Bilder schlagen Brücken zu den Wörtern. Diese werden so greifbarer und lassen viel Raum für Fantasie. Die Geschichte soll Mut machen mit der Sprache zu spielen, erfinderisch und neugierig zu sein. Durch das Bild der Schatztruhe werden die Wörter zu einem kostbaren Gut. 

Was sind die nächsten Schritte, sobald ihr die Idee habt? 

Da wird weiter diskutiert, eine Geschichte herausgearbeitet, eine Figur, ein roter Faden. Wir haben bereits früh den Umfang des Buches (sprich die Seitenzahl) vor Augen, sodass wir versuchen die Geschichte aufzuteilen. Bald folgt das Storyboard, erste Skizzen. Das Einteilen von Text und Bild. Da dies ja eine etwas andere Zusammenarbeit ist, wo beide Parteien textlich und gestalterisch einwirken, entwickeln sich unsere Geschichten stets sehr organisch – in verschiedene Richtungen, mit Verästelungen und nicht immer klar geradeaus. Wir können so auch während dem Zeichenprozess noch eingreifen, Dinge verwerfen, neue Formulierungen finden. Den Text dem Bild anpassen, oder das Bild dem Text. Das ist eine spannende Art zu arbeiten, welche uns beiden sehr zusagt.

Erste Skizzen von Oscar

Was ist bei »Der Wortschatz« die grösste persönliche Herausforderung für euch gewesen?

Bewusst weg zu kommen von einem logischen Denken hin zu einem fantasievollen Umgang mit Sprache. Auf spielerische Art Wörter in Szene zu setzen, ohne dass die Geschichte belehrend wirkt. Also phasenweise mehr Bauch und weniger Kopf. Abtauchen in kindliches, frisches, unverbrauchtes Denken, welches ja in uns allen noch irgendwo schlummert. Manchmal braucht es etwas Zeit, bis das »erwachsene Alltagsdenken« etwas zur Seite rückt und die Gedanken wieder diese kopfstehenden Fantasiewelten durchstreifen können.

Das Definieren der Wörter war ebenfalls eine grosse Herausforderung und gab oft Anlass für Diskussionen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Wort mit Bild zu kombinieren. Hier war mehr die Frage, welche Wörter können bildhaft so umgesetzt werden, dass sie noch »lesbar« und nachvollziehbar sind. Welche Wörter sind am aussagekräftigsten und passen am besten in die Geschichte. Wichtig war uns diese Mischung aus skurrilen, fantasievollen Wörtern und solchen, die auch im Alltag vorkommen. 

Die passenden Worte finden, ist wie Farben mischen für eine Malerei. Eine bereichernde Art sich auszudrücken.

Rebecca Gugger & Simon Röthlisberger

Was fällt euch persönlich leichter: Das Schreiben oder das Illustrieren?

Das Zeichnen. In der Regel. Es ist intuitiver, mehr im Moment. 

Was fasziniert euch besonders an Worten?

Worte haben eine grosse Wirkung – positiv oder negativ. Das Fehlen von Worten kann genauso bedeutungsvoll sein wie ihre unbändige Flut. Worte bewusst und wohlwollend eingesetzt, können wunderbare Dinge bewirken. Sie können überraschen, berühren, ermutigen, einen umarmen, hinterfragen, auf den Zahn fühlen, und stärken. Worte können Sehnsüchte, Erinnerungen, Gefühle in uns wecken. 

Worte geben uns die Möglichkeit, unsere Innenwelt und Aussenwelt zu beschreiben, uns anderen mitzuteilen. Worte können verbinden, können Brücken schlagen. Worte sind fest mit unserem Erleben und unseren Emotionen verbunden. Die Möglichkeit mit Worten zu spielen, durch Kombinationen ganz neue Bedeutungen zu schaffen, gibt Raum für allerhand frische, spielerische und kreative Entdeckungen. Ebenso faszinierend finden wir den Klang von Worten. Dies geht oft Hand in Hand mit deren Bedeutung. Wirken sie rund, weich, sanft? Oder hart, kurz, prägnant. So auch die Lautmalerei. Worte, die durch ihren Klang ein Bild entstehen lassen, ein Geräusch nachahmen. Eine herrlich fantasievolle Sache. 

Die passenden Worte finden, ist wie Farben mischen für eine Malerei. Eine bereichernde Art sich auszudrücken.

Simon Röthlisberger und Rebecca Gugger

Was ist euer Lieblingswort?

Hmm – das eine Lieblingswort besteht inzwischen kaum mehr. Durch die Arbeit mit dem Buch und der Auseinandersetzung mit Wortspielereien, ändern sich unsere Lieblingswörter immer wieder. Je nach Situation und Stimmung. Mit wem oder was wir das Wort verbinden. So kann einem das Wort »morgenblöd« in den frühen Morgenstunden sehr nahe stehen, während einem am Abend das Wort »silberstill« umarmt. Auch »tagtraumverloren«, »pflaumensommersüss« oder »sahneheiter« mögen wir sehr. 

Was kam zuerst: die Illustrationen oder der Text?

Da wir beide stark bildhaft denkende Menschen sind, spielen bei uns immer auch schon bei der Entwicklung des Textes die Bilder eine wichtige Rolle. So versuchen wir bereits beim Text, unsere inneren Bilder zu formulieren oder skizzieren erste ganz grobe Sachen. Grundsätzlich aber steht zu Beginn ein Textgerüst, an dem wir uns dann für die Entwicklung der Illustrationen orientieren. Wie ein grob abgesteckter Rahmen, in dem wir uns bewegen.

Die gemeinsame Arbeit am Buch führt dazu, dass wir in ständigem Austausch sind. Textlich wie bildhaft. So sprechen wir bereits früh im Entstehungsprozess über unsere inneren Bilder, Vorstellungen, Kompositionen oder Farbwelten. Wenn also jemand von uns eine Szenenidee beschreibt, wird oft auch nach dem inneren Bild dazu gefragt. Denn wie wir alle wissen, können sich Bedeutung, Aussehen, Wirkung von Wörtern oft sehr stark unterscheiden – je nach Absender:in und Empfänger:in. Deswegen versuchen wir, bereits früh nebst der Entwicklung des Textes auch unsere Bildvorstellungen zu äussern.  

Wie ergänzt ihr euch im Team?

Die gedankentürmende, farbstaunende, detailverliebte, zehenspitzenhüpfende, frischluftsüchtige, verspielte Tagtraumverlorene trifft auf den pragmatischen, erdigruhenden, fokussiertklaren, freudigmotivierten, stilldenkenden und momentengeniessenden Macher. Etwas überspitzt ausgedrückt – Tatsache ist jedoch, dass wir uns in unseren Stärken und Schwächen sehr gut ergänzen. Und dann gibt es manchmal aber auch die Augenblicke, in denen sich plötzlich ein Wort vor das Bild schiebt. Und dann beginnt man mit den Wörtern zu zeichnen. 

Was inspiriert euch im Alltag?

Da sind einerseits die täglichen Spaziergänge und Wanderungen in der Natur, in denen oft Formen und Farben inspirieren. Sie sind Vorlagen für Naturszenerien und Farbstimmungen. Die Fauna und Flora als sich täglich ändernde Inspirationsquelle. Und dann bieten natürlich Begegnungen mit anderen Menschen wunderbare Vorlagen. Szenen, die man irgendwo beobachtet oder gar ungewollt mithört. Wo man Zeuge dieser liebgewonnenen Alltagskomik wird. Skurrile Situationen an der Kasse, in der Bahnhofshalle, im Restaurant. Das Aufeinandertreffen von Menschen und ihren Eigenarten bietet stets Nährstoff für neue Ideen.

Und immer wieder die Momente, in denen man ganz alleine der Stille lauscht. 

Wenn ihr heute eurem 10-jährigen Ich etwas mitteilen könntet, was wäre das?

Bleibe neugierig. Behalte dir deine Freude, deine ganz eigenen Bilder, dein Denken, deine federleichte Art. Umarme das Abenteuer, das Leben und freue dich über all deine Schritte. Über die langsamen, die schnellen, die grossen und kleinen, die stockenden und strauchelnden, die schweren und leichten, die freudigen und tanzenden – sie alle gehören dazu. Zu deinem einmaligen Leben. Zu deiner wunderbaren Art. 

Ein Wort zum Abschluss?

Hin und wieder ein Wort verschenken. Denn – mit Worten können wir die Welt erblühen lassen!

Vielen Dank für das Gespräch!

3 Kommentare

  1. Judith Gresch

    Guten Tag
    Als Mutter von vier Kindern und Grossmutter von sieben Enkelkindern bin ich begeistert vom Buch „Der Wortschatz“. Ganz besonders von der Illustration wie auch von der Geschichte mit ihrem vielseitigen Wortschatz. Ebenso beeindruckt bin ich vom pädagogischen Material, dass dazu verwendet werden darf. Herzlich Gratulation, Judith Gresch

  2. Christiane Ratajczak

    Hallo Ihr Zwei,
    Das wir einen Schatz an Wörtern haben oder eben nicht, erlebe ich in meinem Beruf jeden Tag. Euer Buch gehört in jedes Klassenzimmer, es ist mit so viel Liebe zum Detail illustriert, Wunder – Schön.
    Oscar darf gerne Betül oder Ziyad heißen ….
    Dankeschön sagt
    Christiane

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