Das Schaf im Wolfspelz
Sid Sharps Debüt Der Wolfspelz sprengt selbstbewusst die Genregrenzen von Bilderbuch und Graphic Novel. Die Geschichte handelt von Bellwidder Rückwelzer – einem Schaf, das sich im Wolfspelz versteckt, um nicht gefressen zu werden. Sid Sharp beantwortet alle unsere Fragen und einige davon sogar mit Skizzen!
Sid, wann kommen dir deine kreativen Geistesblitze meistens in den Sinn?
Bist du also im Traum auf die Idee gekommen, das Sprichwort »Wolf im Schafspelz« auf den Kopf zu stellen?
Absolut! In meinem Traum war ich ein Schaf, das versuchte, den Tag zu überstehen, ohne gefressen zu werden. Es war schrecklich! Danach habe ich viele Zeichnungen und Comics dazu gemacht.
Und wie ging es dann weiter?
Gemeinsam mit meiner Lektorin kam ich dann auf die Idee, daraus ein Kinderbuch zu machen. Die Handlung und die Figuren haben sich im Vergleich zu meinem Traum stark verändert, aber viele der Gefühle sind die gleichen geblieben.
In der Geschichte muss Bellwidder für seine Tarnung auf Dinge verzichten, die ihm etwas bedeuten. Ist das notwendig, wenn wir versuchen, uns anzupassen?
Das ist eine gute Frage! Ich denke, dass es manchmal, wie bei Bellwidder sehr klar ist, dass der Anzug, den wir tragen, nicht derjenige ist, der uns am besten passt. Bellwidder liebt es zum Beispiel, an Blumen zu riechen. Doch im Wolfspelz kann er das nicht tun. Für uns erscheint dies wie eine Kleinigkeit, aber für Bellwidder bedeutet es, ein weiteres Stück von sich selbst aufzugeben. Das ist ein Opfer, welches er erbringt, um in Sicherheit zu sein.
Bellwidder leidet ziemlich unter seinem Wolfsanzug , auch wenn er ihm vermeintlich Sicherheit gibt. Der Anzug passt einfach nicht, obwohl er sehr gut gemacht ist. Sich zu verstellen funktioniert also nie. Und trotzdem tun wir es so oft. »Sich anpassen« und »sich nicht anpassen« ist also nicht so einfach, wie es manchmal scheint. Das ist ein zentraler Punkt, den wir in meiner Geschichte untersuchen.
Wie würdest du denn im Wolfspelz aussehen?
Musstest du schon einmal so tun, als wärst du jemand, der du nicht bist?
Bellwidder und ich haben beide Schwierigkeiten, uns zu öffnen und anderen Menschen zu vertrauen. Bei Bellwidder ist der Grund dafür ganz offensichtlich: Er hat Angst, gefressen zu werden. Also muss er sich davor hüten, anderen zu vertrauen.
Bei uns Menschen ist das komplizierter. Wir haben oftmals das Gefühl, dass es viel sicherer ist, sich nicht verletzlich zu zeigen. Auch dann, wenn es sich nicht um eine beängstigende Situation handelt. Es ist wichtig, anderen Menschen viel Raum zu geben, damit sie sich ebenfalls öffnen können.
Der Wald im Bilderbuch ist einerseits düster und andererseits sehr belebt. Welche Techniken und Werkzeuge hast du für deine Illustrationen verwendet?
Die Art und Weise wie ich male, sieht immer ein bisschen gruselig aus. Ich liebe es, tiefe, dunkle Farben zu mischen. Es war eine lustige Herausforderung, trotzdem viel Helligkeit in diese Seiten voller schwarzer Tinte einzubauen. Ich wollte mit Farben ausdrücken, wie sich Bellwidder fühlt und damit seine Perspektive zeigen.
Für den Wald spielst du mit vielen gruseligen Elementen. Welche Gegenstände würdest du auf einem Spaziergang im Wald entdecken?
Am Ende deiner Geschichte fallen die Masken und eine ausgelassene Stimmung kommt auf. Die Waldtiere haben Raum sich selbst zu sein und sie tanzen gemeinsam im Mondschein. Wie tanzt du, wenn du den Raum dafür hast?
Vielen Dank, Sid!
Ein wunderbar schönes, etwas düsteres und vor allem tiefgründiges Buch, das Erwachsenen wie (Klein)Kindern sehr gefällt und immer wieder gerne zur Hand genommen wird, da es uns sehr viel über das Leben und uns Menschen lehrt. Schön, dass es auf Deutsch publiziert wurde.