Von Siebdrucken und Sonderfarben
Ludwig ist überzeugt, dass sich in seinem Zimmer ein Nashorn befindet. Unmöglich! Findet sein Vater. Doch kann er das auch beweisen? Ludwig und das Nashorn ist eine philosophische Gute-Nacht-Geschichte, geschrieben von Noemi Schneider. Das Buch fällt durch seine knalligen Farben sofort ins Auge. Hierzu hat sich das Illustratoren-Duo GOLDEN COSMOS spezieller Sonderfarben bedient. Mit uns haben sie über die Illustrationsarbeit an ihrem Bilderbuchdebüt gesprochen.
Was ist das Geheimnis der Sonderfarben?
GOLDEN COSMOS: Normalerweise kann man beim Drucken in der Druckerei aus vier Farben, die standardmäßig benutzt werden, jede beliebige neue Farbe mischen. Unzählige winzige Rasterpunkte werden übereinander gedruckt und mischen sich optisch zu einem neuen Ton. Diese Mischtöne sind aber nicht so brillant und intensiv leuchtend, wie das eine Sonderfarbe sein kann.
Warum sind sie für Euch so attraktiv?
Am meisten haben es uns Neontöne angetan, die sind besonders aktiv und mischen sich besonders gut, wenn sie übereinander gedruckt werden. So kann man ein maximales Spektrum an Farben mit nur drei Druckfarben erzielen. Solche speziellen Farbtöne eignen sich gut, um Akzente zu setzen, etwas zu betonen, den Blick im Bild zu führen – vielleicht auch, um ein bisschen unbequem zu sein und die Menschen aus ihren Sehgewohnheiten herauszuholen. Was wir bei Ludwig und das Nashorn spannend fanden, ist der Kontrast von all den dunklen Mischtönen und dem leuchtenden sprudelnden Neon von Ludwigs Haaren, da kommt man nicht dran vorbei. Es spielt sich alles in dieser zwielichtigen, halbdunklen Stimmung des Abends ab, in der Dämmerung, da kann man auch etwas entdecken, das vielleicht gar nicht da ist oder auch etwas übersehen. Da ist Raum für Erfindungen, da führen die Dinge ein Eigenleben und sind nicht immer greifbar. Mittendrin in der Dunkelheit dieser leuchtende Rotschopf, der sich seiner Sache so sicher ist, seinen Platz beansprucht und sich nicht beirren lässt.
Am meisten haben es uns Neontöne angetan
GOLDEN COSMOS
Warum funktionieren klassische Kontrastfarben wie Rot und Grün immer? Wie verwendet ihr sie und wie brecht ihr sie auf?
Der klassische Komplementärkontrast lotet ein maximales Spektrum an Farben aus. Rot und Grün, Schwarz und Weiß, Warm und Kalt. Da stehen sich Gegensätze gegenüber, da ist die Spannung maximal. Es geht hoch und runter, es wird laut und leise, ganz viel steht ganz wenig Farbe gegenüber. So kann man eine Dramaturgie im Bild oder in einer Serie von aufeinander folgenden Bildern schaffen. Den Blick lenken, die Spannung aufrechterhalten. Ganz vieles vermittelt sich unbewusst, erzeugt eine Stimmung, ein Gefühl. Starke Kontraste setzen einen Fokus auf das, was wichtig ist. Da, wo im Bild weniger starke Kontraste sind, finden sich narrative Elemente, die die Geschichte im Hintergrund weitererzählen, ihr etwas hinzufügen, was auf den ersten Blick vielleicht übersehen wird und beim mehrmaligen Anschauen entdeckt werden kann, etwa das Muster auf Ludwigs Schlafanzug.
Welche Rolle spielen Licht und Schatten, Sichtbares und Unsichtbares, Negativ und Positiv in euren Illustrationen?
Gerade für diese Geschichte war es uns wichtig, dass die Illustrationen atmosphärisch sind. Deshalb war uns klar, dass die Bilder ein starkes Spiel von Licht und Schatten brauchen. Licht und Schatten definieren Objekte und Raum, sie verorten die Dinge und geben einen Rhythmus im Bild vor. Das Nashorn im Halbdunkel, im Schatten steht für etwas nicht Greifbares, Imaginäres und Ludwig, in seiner sprudelnden kindlichen Energie, steht für das Licht, für die Klarheit. Beides zusammen erzeugt eine Spannung.
Was reizt Euch besonders an der Ästhetik des Siebdrucks? Was macht diesen Stil, der ja auch vielfach in der Werbung und auf Plakaten verwendet wird, kunstvoll?
Wir finden die Klarheit spannend. Die Klarheit der Formen und Farben. Beim Siebdruck gibt es nur zwei Zustände: drucken und nicht drucken. Das Sieb lässt an bestimmten Stellen Farbe durch und ist an anderen wiederum undurchlässig. Halbtöne gibt es nicht, dafür muss man dann eine grafische Lösung finden. Das könnten computergenerierte Raster sein, aber was wir spannender finden, sind grafische Raster, Schraffur, gekreuzte Linien, Verdichtung und Auflockerung.
Die Farben im Siebdruck können entweder deckend oder lasierend sein und wenn man diese Eigenschaften gezielt einsetzt, entstehen spannende Mischungen und Effekte. Dabei spielt auch die Druckreihenfolge eine Rolle. Zum Beispiel mischt sich das Neon-Rot von Ludwigs Haaren anders mit dem Blau, wenn es auf das Blau gedruckt wird, als wenn man das Rot zuerst und dann das Blau druckt. Wenn dann noch das Gelb darauf gedruckt wird, wird es ganz wild. Das Experimentieren mit Farben macht immer besonders Spaß. Am schönsten ist der Moment, wenn eine Farbe auf die andere gedruckt wird. Auch wenn wir die Bilder selbst entworfen haben, sind wir immer ganz gespannt zu sehen, wie sich die einzelnen Teile zu einem Ganzen fügen.
Beim Siebdruck gibt es nur zwei Zustände: drucken und nicht drucken.
GOLDEN COSMOS
Am liebsten arbeiten wir mit lasierenden leuchtenden Farben und hundertprozentigem, also vollflächigen ungerastertem Farbauftrag. Beim Übereinanderdrucken ergeben sich dann durch die Mischung neue Farben. Die so entstehenden Farbtöne harmonieren einfach gut miteinander. Durch die Reduktion auf wenige Farben bekommen die Bilder eine formale Strenge und Einheitlichkeit. Formal bildet das auch eine Klammer unserer Arbeiten, die manchmal stilistisch variieren.
Ihr seid eigentlich in anderen Ressorts unterwegs, arbeitet viel für Magazine und Zeitschriften. Was hat euch an der Gestaltung eines Bilderbuchs gereizt? Wo musstet ihr umdenken?
Gewissermaßen ist das eine eher ein Sprint und das andere ein Marathon. Die Bilder, die wir für Magazine und Zeitschriften machen, entstehen in sehr kurzer Zeit zu einem ganz bestimmten Thema oder Sachverhalt und müssen inhaltlich und zeitlich punktgenau und eindeutig sein. Oft müssen die Ideen in wenigen Stunden entstehen und werden dann von einem oder mehreren Art-Direktoren ausgewählt und auch inhaltlich gelenkt. Das ist jedes Mal ein Sprint. Man muss sich beeilen, hat wenig Möglichkeiten, um Neues auszuprobieren, aber auch zeitnah ein Ergebnis, ein Erfolgserlebnis und eine Arbeit veröffentlicht. Außerdem sind die Themen, die an uns herangetragen werden, sehr spannend und wir lernen viel dazu.
Die Arbeit an einer Serie von Illustrationen für ein Buch ist im Gegensatz dazu eher ein Marathon. Man braucht Durchhaltevermögen, kann sich aber auch mehr Zeit lassen, um die Geschichte zu entwickeln, Charaktere zu kreieren, die Handlung zu verschachteln und mehr in die Tiefe zu gehen. Es ist auch etwas anderes, eine Reihe von aufeinanderfolgenden Motiven zu entwerfen. Das einzelne Bild muss nicht alles leisten, erst durch das Wechselspiel der Bilder ergibt sich ein Ganzes. Auch das Umblättern in einem Buch ist spannend. Es vergeht Zeit, es gibt ein Vorher und Nachher, eine Frage und eine Antwort. Damit kann man wunderbar spielen.
Was letztlich auch besonders am Bilderbuch ist, ist seine Beständigkeit. Viele unserer Arbeiten sind entweder nur online veröffentlicht oder für kurze Zeit in einem Printmedium gedruckt. Danach verschwinden sie für immer. Die Vorstellung, dass unser Buch in Kinderzimmern und Bücherregalen steht, und eventuell die eine oder der andere in 30 Jahren ein wohliges Gefühl bekommt, wenn sie sich an die Bücher ihrer Kindheit erinnern, so wie uns es mit einigen Büchern geht, ist schön. Für Kinder sind Bilderbücher und Geschichten etwas Besonderes und Prägendes. Es ist toll, wenn wir da ein kleines bisschen mitwirken dürfen.
Vielen Dank für das Gespräch!