Regentage

Dicke Tropfen prasseln vom Himmel. Doch wie kommt der Regen überhaupt zustande? In ihrem Buch Kleine Wolke Re nimmt uns Ixtzel Arreola mit auf eine Entdeckungsreise über Naturkreisläufe. Die Illustratorin Martina Liebig hat dazu packende Landschaften geschaffen. Mit uns haben die beiden über ihre persönliche Reise mit der kleinen Wolke gesprochen.

Was magst du lieber: einen gemütlichen Regentag oder einen unbewölkten blauen Himmel?

Martina: Ich mag beides, aber meistens bevorzuge ich den unbewölkten blauen Himmel.

Ixtzel: Auch beides; ich könnte mich gar nicht entscheiden. Ein verregneter Nachmittag umhüllt von der Wärme eines knisternden Feuers hat etwas Magisches, genauso wie ein Dösen im Gras unter blauem Himmel mit einem Hut über den Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. Ich würde mich für einen Vormittag mit blauem Himmel und einen Nachmittag mit Regen entscheiden.

Wie ist die Geschichte der Kleinen Wolke Re entstanden?

Ixtzel: Mein Sohn wollte, dass ich ihm vor dem Einschlafen eine Geschichte erzähle. Gerade als ich den Mund aufmachte und bevor ich ein Wort sagen konnte, landete Re bei uns zu Hause.

Martina, wie kam die Zusammenarbeit zwischen euch beiden zustande?

Martina: Durch ein Buch! Flo, der Flummi und das Schnack ist eine Sammlung von Geschichten, die ich 2020 illustrieren durfte. Tino Hanekamp, Ixtzels Mann, hatte darin eine Geschichte geschrieben und nachdem das Buch veröffentlicht war, hatte ich ihn gefragt, ob er sich mit meiner Interpretation seiner Geschichte wohlfühlt. Darüber kamen wir ins Gespräch und kurze Zeit später machte er mich mit Ixtzel bekannt. 

Ein kreatives Chaos aus Forschen und Testen

Martina Liebig

Habt ihr euch ausgetauscht während der Entstehung des Textes und der Illustrationen?

Martina: Ja, das haben wir.

Ixtzel: Martina ist eine unglaublich talentierte und kluge Partnerin bei der Zusammenarbeit. Außerdem hat sie großen Respekt vor meinem kreativen Prozess. Wir haben zwar ausgiebig geredet und geschrieben, aber sie hat mich mein eigenes Ding machen lassen. 

Martina: Bei den Illustrationen haben wir uns vor allem in der Anfangsphase, bei der Erstellung des Storyboards, regelmäßig ausgetauscht. Die Reinzeichnung der finalen Illustrationen habe ich dann aber ohne viel Absprache gemacht.

Welche Art von Recherche habt ihr für das Buch durchgeführt?

Martina: Für diese Geschichte war die Recherchearbeit sehr umfangreich. Das ging von der Einzelbild-Recherche im Internet bis zu Dokumentationen, die ich über Südamerika geguckt habe. Ich musste die Tiere erforschen, wo und wie sie leben, aber auch die unterschiedlichen Wolkenarten und ich musste mich mit dem Wasserkreislauf auseinandersetzen.

Flora und Fauna Recherche

Ixtzel: Ich lebe im Hochland des Regenwaldes, einem Ort mit wechselnden Szenen. Es beginnt warm und sonnig, dann verwandelt es sich für die Hälfte des Jahres in einen Nebelwald, bevor der Regen alles üppig und lebendig werden lässt. Die Flüsse fließen in Strömen und die Landschaft erstrahlt in bunten Blüten. All dies zu beobachten, ist meine größte Freude und ist auch ins Buch miteingeflossen.

Hochland des Regenwaldes
Kleine und große Wolken

Von der ersten Skizze zur fertigen Illustration: Wie sehen deine Arbeitsschritte dazwischen aus, Martina?

Martina: Es ist ein lebendiges Hin und Her zwischen analoger Zeichnung und Computer-Arbeitsphasen. Skizzen mache ich bereits beim ersten Mal Lesen des Skripts, dann kommt die Recherchephase, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Im Anschluss skizziere ich sehr viel analog zum Thema. Mit diesen Skizzen geht es dann wieder an den Computer, um ein Storyboard zu erstellen.

Wenn ich dort fertig bin, drucke ich alles aus, um am Leuchttisch die Reinzeichnung der Outlines analog zu zeichnen; dabei geht es mir besonders um die Haptik. Die Kolorierung mache ich dann schlussendlich wieder am Computer in Photoshop. Es ist ein kreatives Chaos aus viel Forschen und Testen, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem ich wirklich glücklich bin.

Von der Skizze zur fertigen Illustration
Arbeit am Leuchttisch

Was war für euch die grösste persönliche Herausforderung bei der Arbeit am Buch?

Ixtzel: Geduldig zu sein.

Martina: Bei der Farbpalette die richtige Entscheidung zu treffen, war nicht ganz einfach. Die Geschichte fängt bei Sonnenaufgang in einer Blumenwiese an, führt dann immer tiefer in den tropisch grünen Dschungel und endet in der Nacht. Mir war es wichtig, eine Palette zu finden, welche die unterschiedlichen landschaftlichen Begebenheiten gut widerspiegelt und gleichzeitig die verändernde Tageszeit auffangen kann. Da hat es einige Ansätze gebraucht, aber jetzt bin ich sehr zufrieden. 

Farbtest für die Blumenwiese
Bunte Farbpalette

Gibt es etwas, das ihr durch die Kleine Wolke Re gelernt habt?

Ixtzel: Wie eine Wolke kann man weich und gleichzeitig kämpferisch sein. Das Leben macht mehr Spaß, wenn man sich damit anfreundet, Widersprüche zu verkörpern.

Martina: Die kleine Wolke geht durch so viele Phasen der Veränderung und hat immer das Gefühl, noch nicht angekommen zu sein. Am Ende stellt sie fest, dass sie im Kern immer sie selbst ist und war und das vollkommen genug ist. Das finde ich sehr schön und tut vielleicht auch im eigenen Leben gut. 

Euer Tipp für alle, die davon träumen, ganz groß zu sein?

Martina: Genießt jede Lebensphase so, wie sie ist. Es gibt immer Vor- und Nachteile, aber im Moment zu sein, ist eine Kunst.

Ixtzel: Du wirst es früh genug erreichen. Deshalb genieße es, klein zu sein, dann genieße es, mittelgroß zu sein, dann genieße es, groß zu sein. Die Natur ist humorvoll: Manchmal scheinen wir groß zu sein, sind aber klein, und manchmal genau umgekehrt – oft sind wir beides. Sei freundlich und liebevoll zu dir selbst, auch wenn ein Wachstum unangenehm wird, und sei zärtlich zu dir selbst, wenn es dich auseinanderreißt und du dich wieder klein fühlst. Es liegt eine große Schönheit darin, dass wir uns so verändern können, wie wir es tun.

Vielen Dank für das Gespräch!

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