»Magie geschieht, wenn du Liebe empfindest für das, was du tust«

Maja Kastelic stammt aus Slowenien, wo sie Malerei, Philosophie und Visuelle Kunsttheorie studierte. Sie arbeitete einige Jahre als Restaurateurin von Fresken, bevor sie sich der Kinderbuchillustration widmete. Bei NordSüd ist von ihr 2020 das Buch »Hans Christian Andersen – Die Reise seines Lebens« erschienen, mit Text von Heinz Janisch.

Hans Christian Andersen ist eine Legende. Wie hast du dich dabei gefühlt, ein so wichtiges Projekt anzugehen? 

Ich liebe Andersens Arbeit. Als ich klein war, waren seine Märchen unter meinen frühesten und liebsten Bilderbüchern. Mein Lieblingsbuch war eine Ausgabe von Däumelinchen mit wunderschönen Illustrationen der slowenischen Künstlerin Marlenka Stupica. Jetzt, da ich erwachsen und selbst eine Bilderbuchkünstlerin bin, weiß ich auch um Andersens außerordentliches Verdienst und das große literarische Erbe, das er mit seinem Werk geschaffen hat. Er zeigt das Schöne und Poetische, aber gleichzeitig auch die Sorgen und Leiden der Menschen. So bringt er den Leser dazu, Empathie und Mitgefühl zu entwickeln. 

Als mir dieses Projekt angeboten wurde, war mir seine Bedeutung sofort klar. Ich freute mich riesig und fühlte mich geehrt, aber es kamen auch Zweifel auf, ob ich der Aufgabe gerecht werden konnte. Ich wünschte mir, eine Hommage zu schaffen an einen ruhelos schöpferischen Geist, an die Magie des Geschichtenerzählens und an die Kraft der Imagination. Meines Wissens ist es das erste Kinderbuch über Hans Christian Andersen und über seine Märchen, und ich hoffe, wir enthüllen darin ein bisschen sein Leben, sein Schicksal, und seine Überzeugungen. 

Wie war dein kreativer Prozess und deine Vorgehensweise? Kannst du uns davon berichten? 

Die Arbeit am Buch dauerte etwa ein Jahr. Ich musste erst viel recherchieren. Andersen schrieb viel über sein eigenes Leben und es gibt zum Glück viel Material online. Erst mit der Arbeit an diesem Projekt begriff ich, wie umfangreich sein Werk tatsächlich ist. Und ich erfuhr, wie unglaublich mutig und enthusiastisch er schon als kleines Kind war. Trotz aller Schwierigkeiten gab er nie auf und behielt sein ganzes Leben lang ein kindliches Herz. Ich bewundere seinen Mut, herauszustechen, und seine Fähigkeit, die fantastischen Welten hinter dem normalen Alltagsleben zu sehen und für uns zugänglich zu machen.  

Heinz Janischs Erzählung über Andersens Leben war unglaublich sensibel, reichhaltig und dicht, ich wollte so viel wie möglich davon in die Illustrationen einfließen lassen. Ich zog drei Erzählebenen aus dem Text – einen Teil über sein Leben, einen anderen über seine Märchen und damit verbunden der Teil der Erzählebene der Reise und der Perspektive eines Kindes. Es war mir wichtig, die Verbindung zwischen den drei Ebenen räumlich zu halten. 

Doch wie konnte ich so viel Inhalt wie möglich unterbringen? Mir kam die Vision eines Kinderbuchformates mit Elementen der Graphic Novel. Ich skizzierte alle Szenen und brachte die wichtigsten Referenzen ein: den Look von Kopenhagen, Andersens Zuhause, den Dom zu Odense, das Opernhaus und auch die Motive der Märchen.

Gab es dabei Herausforderungen? 

In den Skizzen funktionierte meine Idee ganz gut, schwieriger wurde es jedoch, als ich an den Illustrationen zu arbeiten begann. Ich musste eine eigene visuelle Sprache für das Buch entwickeln. Ganz wichtig dafür war es, einen Weg zu finden, die verschiedenen Erzählebenen visuell voneinander abzuheben. Ich experimentierte viel und kam zum Schluss, dass ich die traumartige Qualität von Aquarellen mag: Das Ineinanderfließen und die kleinen Unfälle – obwohl ich zuvor jeweils Acrylfarben für Illustrationen benutzt hatte. Klar war, dass Andersens Leben monochromatisch dargestellt werden sollte, und die Märchen lebendig bunt, aber wie sollte ich die mittlere Ebene, die der Kutschenszene, zeigen?

Ich entschied mich dann für eine Art Retroästhetik: einen Stil, der wie lackiert wirkt, wie wenn man ein Ölgemälde anguckt. Er sollte eine Vergangenheitsstimmung vermitteln, aber zugleich auch warm sein, damit das Feingefühl der Konversation zwischen dem Schriftsteller und dem Kind gut herüberkommt. Die Arbeit am Buch war voll von »Trial und Error«. Ja, sie war auch für mich eine Reise, eine Herausforderung, die mich viel gelehrt hat.

Die Arbeit am Buch war eine Reise.

Maja Kastelic

Wie kam es zur Publikation?

2017 arrangierten wir ein Meeting in Bologna mit meinem zukünftigen, wunderbaren Verleger bei NordSüd, und kurz danach erhielt ich ein Angebot mit diesem tollen Projekt. Es dauerte einige Zeit, in die Arbeit einzutauchen. Als ich meine Ideen vorschlug, trafen wir uns in Zürich und danach begann ich mein Jahr der intensiven Arbeit. Mein Verleger Herwig und meine Lektorin Andrea waren sehr unterstützend und nett, ich schätze dies so sehr. Nachdem ich endlich die Illustrationen fertig hatte, übernahmen sie die Produktion mit großer Sorgfalt. Die Publikation war geplant für Frühling, perfektes Timing in Kombination mit der Buchmesse Bologna, Andersens Geburtstag und dem internationalen Kinderbuchtag, aber unglücklicherweise wurde dies alles gestrichen wegen der Pandemie, daher ist die Publikation leider etwas unbemerkt geblieben. 

Gibt es eine einzigartige oder besonders lustige Geschichte hinter der Schöpfung dieses Buches? 

Na, für die Szene des nackten Kaisers schnitt ich ein zweidimensionales Modell des Herrschers aus und klebte eine Fackel auf den Stuhl, um es zu beleuchten – ich machte ein Foto und benutzte es als Vorlage für die Illustration. Und ich begann die Übersetzungsfunktion des Browsers sehr zu schätzen, weil ich mich durch unzählige Dänische Webseiten las; ohne sie hätte ich kein Wort verstanden. 

Was glaubst du, macht Illustration magisch? Was macht sie zu Bildern, die der Leser immer und immer wieder anschauen will? 

Wenn du leidenschaftlich bist, gibst du immer alles und steckst deinen ganzen Einsatz in die Arbeit. Der Leser fühlt dann, dass die Arbeit gründlich und durchdacht ist. Aber Witz und technische Perfektion sind nicht genug. Ich glaube, Magie geschieht dann, wenn du solche Liebe und Aufrichtigkeit empfindest für das, was du tust, dass es spürbar wird. Es schimmert als eine spezielle Art von Energie durch die Arbeit und findet Resonanz im Leser. 

Wie machst du Werbung für dich – wenn überhaupt? 

Oh, nur sehr kläglich, aber ich hatte bisher genügend Glück, dass ich sie nicht so sehr gebraucht habe. Ich benutze Facebook und Instagram und poste ab und zu etwas. Ich hatte früher einen Blog, aber in den letzten Jahren hatte ich keine Zeit mehr dafür und ich bezahle seit fünf Jahren für eine ungenutzte Webdomain (majakastelic.com). Bisher hatte ich noch keine Zeit, eine gute Webseite aufzubauen. Hinsichtlich der Sichtbarkeit meiner Arbeit war es sehr wichtig für die Ausstellung der Kinderbuchmesse in Bologna und für ihren Katalog ausgewählt worden zu sein, und einen Eintrag auf Picturebookmakers über mein Kinderbuch zu haben. 

Was ist das Schönste und was das Schwierigste daran, eine Künstlerin zu sein? 

Ich liebe Bücher. Das Beste daran ist es, mit ihnen zu arbeiten, und noch schöner: sie sogar selbst zu schaffen. Ich bin täglich ganz berührt von diesem Glück. Aber das allerschönste ist es, wenn man manchmal (leider nicht oft) einen Punkt der völlig entspannten Konzentration erreicht. Es fühlt sich an, wie wenn etwas durch dich hindurch arbeitet, und danach kannst du es nicht wirklich erklären. Aber was dabei herauskommt, ist in gewisser Weise perfekt. Vielleicht ist es das, was Inspiration genannt wird. 

Was gibt es im Buch Besonderes zu entdecken für die Leser?  

Ich habe diverse Hinweise und Elemente aus Andersens Märchen in den Illustrationen platziert, zum Beispiel Erbsen, Schwalben, kleine Enten, Papierboote und so weiter. Und auch ein paar Hommagen an andere ikonische Werke der Kinderliteratur sowie einige Details aus meinem eigenen Leben. Weil Andersen seine Geschichten Elsa erzählt, habe ich beide in jeder Märchenszene abgebildet. Ich hoffe darüber hinaus, dass die Leser sowohl die wundervollen Botschaften seiner Märchen mitnehmen, und fast noch mehr die, die er durch sein Leben vermittelt. 

Woran arbeitest du als nächstes oder was wäre dein Traumprojekt?

Zurzeit arbeite ich an einem Bilderbuch über Paris und an einem anderen über einen Zirkus. Ich liebe beide, und was dann folgt, ist mein eigenes, lange verschobenes Bilderbuch mit dem Titel »ein Mädchen und ein Garten«. Und ich werde demnächst an wunderbaren Kindergedichten arbeiten. Ich habe kein bestimmtes Traumprojekt, ich liebe alle, für die ich mich entscheide. Ein Traumprojekt wäre vielleicht das, das ich wirklich so wunderbar umsetzen könnte, wie ich es mir vorstelle.  

Das Interview führte Elizabeth Doulemba auf ihrem Blog in englischer Sprache.

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